English (Englisch) Español (Spanisch) Italiano (Italienisch) العربية (Arabisch) Deutsch
Als sich das Visier schließt, leuchtet beim Initialisieren das Head-up-Display meines Raumanzuges auf. Mich überkommt erneut die Erkenntnis, dass ich von nun an vollkommen abhängig von meinen Fähigkeiten, der Technologie meines Anzuges und der Unterstützung meines Teams bin, wenn ich die nächsten Stunden unbeschadet überstehen soll. Ich denke an die kommenden Tage…
Nachdem wir unser Habitat verlassen haben, schauen wir uns in der abgelegenen, kargen Wüste rund um die kleine Struktur um, während „Operations“ in der Basis die Telemetrie unserer Anzüge überprüft. Mit unserer Ausrüstung, die von zwei Fahrzeugen transportiert wird, suchen wir uns vorsichtig unseren Weg durch das Tal, welches von der Basis zu dem Gebiet führt, das wir heute erkunden sollen. Während wir der Linie auf der Karte folgen, die auf unseren Displays angezeigt wird, bläst uns der unaufhörliche Wind Sand in unser Sichtfeld. Wir können jedoch sein Wispern nicht hören, nur unsere eigene angestrengte Atmung, das Summen der Ventilatoren der Lebenserhaltungssysteme sowie die Stimmen aus den Kopfhörern, die uns miteinander und mit der Basis verbinden.
Was wie eine Szene aus dem Film „Der Marsianer“ klingt, wird sich tatsächlich auf unserem Heimatplaneten Erde abspielen, wo die Analog-Astronauten des Österreichischen Weltraum Forums ihre Missionen durchführen. Und ich bin eine von ihnen.
Das Österreichische Weltraum Forum hat seinen Sitz in Innsbruck in Österreich. Es ist eine der führenden Institutionen, die analoge Marsmissionen durchführen, um unsere zukünftige Erforschung des Roten Planeten voranzutreiben. Analog-Astronauten führen Raumfahrtsimulationen in Mars-ähnlichen Regionen der Erde durch. Sie testen und bewerten Arbeitsabläufe und menschliche Faktoren, die für unsere Erforschung des Mars von Bedeutung sind. Analog-Forschung dient der Testung von Konzepten und Ausrüstung. Schließlich wollen wir nicht eine Milliarden-Dollar-Mission zum Mars schicken, nur um zu merken, dass wir einen Kreuzschlitzschraubendreher hätten einpacken sollen statt eines Sechskants. Sie überprüft auch Arbeitsabläufe und Schwachstellen, so dass die tatsächliche Mission so sicher wie möglich realisiert werden kann. So zum Beispiel die Handhabung eines beim Außeneinsatz verletzten Astronauten oder herauszufinden, was zu tun ist, wenn wir den Kontakt zur Basis verlieren, da wir kein GPS auf dem Mars haben würden.
Das Österreichische Weltraum Forum führt wissenschaftliche Forschungen mit nationalen und internationalen Institutionen durch. Daher sind seine Analog-Astronauten sorgfältig ausgewählte Experten, die darin ausgebildet sind, wissenschaftliche Feldarbeit durchzuführen während sie Raumanzugssimulator-Prototypen tragen. Mein Training umfasst Planetologie, Mechanik, Geologie und Astrobiologie. Es beinhaltet außerdem Medientraining, Stressmanagement, Notfallversorgung, Fitness, Quadbike-Training und vor allem die Bedienung eines 50 kg schweren Raumanzugsimulators, der sich mir in die Schultern gräbt, während ich versuche, mich auf komplizierte Aufgaben zu konzentrieren. Diese Ausbildung ist unabdingbar für die nächste Mission – AMADEE-20 – in der israelischen Negev-Wüste im nächsten Jahr, an der ich hoffentlich teilnehmen werde.
Sie fragen sich vielleicht, warum überhaupt bemannte Raumfahrt? Warum sollten wir den Aufwand betreiben, zum Mars zu fliegen? Abgesehen davon, dass die Erforschung des Unbekannten in unseren Genen steckt, geht es für mich darum, die Geschichte unseres Planten und die Ursprünge des Lebens zu verstehen. Antworten auf diese großen Fragen liegen auf weit entfernten Planten, die in der unendlichen Schwärze des Alls schweben. Wenn wir verstehen, wie Planeten entstehen, wie sich Atmosphären entwickeln und wie sie verschwinden und wie Klima funktioniert, können wir auch unseren eigenen Planeten und all die Arten, auf die wir ihn beeinflussen, besser überblicken. Wenn wir ins All hinausgehen, kommen wir mit besseren Lösungen für unsere irdischen Erfahrungen zurück. Raumfahrtprodukte erleichtern uns jeden Tag das Leben, von Akkuschraubern bis zur Navigation mit GPS. Daher ist die Besiedlung des Mars nicht das ultimative Ziel, sondern ein notwendiger Schritt um unseren Heimatplaneten bewohnbar zu halten. Vor allem aber findet man fast nirgendwo außerhalb des Raumfahrtsektors so viele Menschen unterschiedlichen Geschlechts, unterschiedlicher Hautfarben und religiöser und politische Überzeugungen, die unermüdlich auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.
Eine der Aufgaben bei unserer nächsten Mission ist es herauszufinden, wie man außerirdische Umgebungen keimfrei und unberührt halten kann. Bei der Suche nach Spuren von Leben auf anderen Planeten müssen wir sicherstellen, dass wir diese Welten nicht mit unseren eigenen biologischen Fingerabdrücken verunreinigen. Dies gilt auch für Proben, die wir zur Untersuchung mit zurück zur Erde bringen. Eines der Ziele von AMADEE-20 ist die Erprobung von Lebenserkennungs-Workflows und das Durchführen von Kontaminations-Experimenten. Das wird dann ein Feldtag für die Mikrobiologin in mir im weiten felsigen Gelände der Negev-Wüste.
Manchmal, wenn ich an meinem freien Tag an meinem Küchentisch sitze und schlechte Nachrichten über Erderwärmung, zunehmenden Nationalismus und Gewaltausbrüche in der Zeitung lese, mache ich mir Sorgen, dass die Menschheit es nicht schaffen wird, zu überleben. Aber Analog-Astronautin in einem Team von Experten mit unterschiedlichsten Hintergründen zu sein gibt mir große Hoffnung. Wenn wir zusammenarbeiten, können zukünftige Generationen es schaffen, Grenzen, Unterschiede und Feindseligkeiten zu überwinden, um eine Welt zu gestalten, in der jeder in Frieden leben kann. Wenn ich meine Kinder anschaue, weiß ich, dass wir es versuchen müssen, und ich bin sehr froh, dass ich die Chance habe, an etwas mitzuarbeiten, das einen Beitrag zu unserer Zukunft als raumfahrende Spezies leisten kann.
In einigen Jahren wird sich der Visor einer Astronautin nicht in der Negev-Wüste schließen, sondern auf einer Mars-Ebene oder in einem Mars-Tal. Wenn ich diesen historischen Moment mit meiner Familie und meinen Freunden im Fernsehen beobachte, werde ich stolz darauf sein, dazu beigetragen zu haben, dass es möglich wird. Ich werde mit Erstaunen auf die unerwartete Wendung der Ereignisse zurückblicken, die dazu geführt haben, dass ich Astronautin wurde.
Fortsetzung folgt…
Aus dem Englischen übersetzt von Anika Mehlis.
English (Englisch) Español (Spanisch) Italiano (Italienisch) العربية (Arabisch) Deutsch
Jamy-Lee Bam, Data Scientist, Cape Town
Paarmita Pandey, Physics Masters student, India
Nesibe Feyza Dogan, Highschool student, Netherlands
Una, writer and educator
Radu Toma, Romania
Financier and CEO, USA
Yara, Lebanon
Be the first to know when a new story is told! Delivered once a month.
Comments